Claus Hilger
 
 

Alterungsprozesse bei Starren Endoskopen
 
 

1. Aufbau Starrer Endoskope

2. Beanspruchungsparameter

3. Normung

4. Alterung des Beleuchtungssystems

5. Untersuchungen des optischen Systems

6. Ergebnis
 
 
 

Starre Endoskope gelten gemeinhin als verschleißfrei (schließlich nutzte sich die Lesebrille meiner Oma auch nicht ab, obwohl mit der Brille etliche Jahre gelesen wurde). Die Annahme der Verschleißfreiheit entspricht jedoch nicht der Erfahrung in der Praxis, nach der nach etlichen Anwendungen und Sterilisationszyklen Beeinträchtigungen der Bildgüte eintreten, die Instandhaltungmaßnahmen notwendig machen.
 
 

Vor diesem Hintergrund sollen der Aufbau der Endoskope, Informationen aus Literatur und Normung mit einigen eigenen Erkenntnissen ergänzt werden. Ein Prüfverfahren zur Bestimmung der wesentlichen Parameter wird beschrieben.
 
 
 
 

1. Aufbau Starrer Endoskope
 
 

Der grundsätzliche Aufbau einer Starren Optik (Laparoskop, 10 mm) ist in Bild 1 dargestellt.


Bild 1: Einzelteile eines Starren Endoskops (v. l. n. r.):
Oben: Äußeres Hüllrohr mit Lichtleiter, Lichtleitkabelansatz und Okular
Mitte: Inneres Hüllrohr mit Distanzstück und Objektiv
Unten: Ablenkprisma mit Linsen und Abstandshülsen, proximaler Abschluß







Die Stablinsen des optischen Systems werden im inneren Hüllrohr geführt und mit Distanzhülsen auf Abstand gehalten. Das innere Hüllrohr ist distal mit dem Ablenkprisma abgeschlossen (das u.a. die Blickrichtung bestimmt) und proximal mit dem Objektiv.
 
 

Es wird eingeschlossen von dem äußeren Hüllrohr, in dem sich der Lichtleiter befindet, sowie der Lichtleitkabelanschluß angeordnet ist. Dieses Teil wird distal von der Decklinse abgeschlossen, proximal ist die Okularabdeckung angebracht. Eine der wesentlichen Eigenschaften dieser Komponente ist u.a. die Abdichtung der inneren Teile gegenüber eindringende Fremdstoffe.
 
 
 
 

2. Beanspruchungsparameter
 
 

2.1 Handhabung

Bei normaler und sachgerechter Handhabung werden Starre Endoskope mechanischen Beanspruchungen unterworfen. So treten immer Biege- und Quetschbelastungen auf, die sich aus den notwendigen Manipulationen bei der Führung der Endoskope in den Schäften, z.B. bei notwendigen Veränderungen des Blickwinkels auf das OP- Gebiet, resultieren.
 
 

Diese mechanischen Belastungen sind unkritisch, solange sie so gering sind, daß keine Verformungen am Endoskop auftreten, also die Eigenstabilität der Konstruktion (bestimmt durch Außendurchmesser, Materialien, Querschnitte etc.) ausreicht, entstehende Kräfte aufzunehmen.
 
 

Darüber hinausgehende Belastungen führen zu Verformungen des Endoskops. Die biegeinnere Seite wird gestaucht, die biegeäußere Seite gestreckt. Für die Metallteile sind diese Belastungen zunächst ebenfalls unkritisch. Sie nehmen ihre ursprüngliche (gerade) Form wieder ein. Erst bei stärkeren Belastungen (mit Überschreitung der Elastizitätsgrenze) treten hier plastische Verformungen auf. Diese sind dann auch visuell am äußeren Hüllrohr nachweisbar.
 
 

Die Stablinsen im Inneren Hüllrohr sind aus optischem Glas und tolerieren Biege- bzw. Druckbelastungen deutlich weniger als Metall. Bei Biegebeanspruchung drücken die Abstandshülsen infolge der Stauchung gegen die Ränder der Linsen. In der Folge können Linsenbrüche auftreten, ausgehend vom Randbereich. Bei Biegebelastungen, die in Bereichen erfolgen, in denen Linsen angeordnet sind, können Querbrüche entstehen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist der Bereich der sachgerechten Nutzung verlassen.
 
 
 
 

2.2 Aufbereitung und Sterilisation

Während der Aufbereitungsprozeduren erfolgen zusätzliche mechanische Belastungen durch die Maßnahmen zur Vorreinigung (bürsten, spülen, waschen).
 
 

Bei Desinfektion und Sterilisation wirken chemische und thermische Prozesse auf die Endoskope ein. Desinfektionsmittel sind bestimmungsgemäß aggressiv gegen Bakterien und Viren. Diese Aggressivität macht naturgemäß nicht vor anderen Materialien halt, insofern treten Materialangriffe an den Oberflächen auf (vgl.: "Vergleichende Untersuchungen zur Materialverträglichkeit ..., T. Maier, Diplomarbeit FH Giessen, 12/96).
 
 

Bei der Sterilisation treten weitere Belastungen infolge der Erwärmung (bei Gassterilisation auf 54°C bzw. bei Dampfsterilisation auf 134 °C) auf, jeweils in Verbindung mit nenneswerten Änderungen des umgebenden Luftdrucks. Die wesentlichen Bestandteile Starrer Endoskope (Glas und gewöhnlich Edelstahl, selten Messing) weisen sehr unterschiedliche Temperaturausdehnungskoeffizineten auf. Bei Erwärmung kommt es zu hieraus resultierenden Materialspannungen (bei untereinander verbundenen Komponenten, z.B. Decklinse zu Linseneinfassung, Lichtleiter zum Schaft) bzw. zu Bewegungen untereinander (bei Komponenten, die dies zulassen, z.B. Stablinsen zur Innenseite des Hüllrohrs).
 
 

Diese Einflüsse sind im wesentlichen von den Temperaturbelastungen abhängig. In der Praxis ist daher ein Trend dahingehend zu beobachten, Optiken wieder bevorzugt im Äthylenoxydgas, also im niedrigeren Temperaturbereich, zu sterilisieren. Dieser Trend erfolgt ungeachtet der Tatsache, daß sog. dampfsterilisierbare Optiken eine nennenswerte Marktdurchdringung erreicht haben und fast überall verfügbar sind. Er wird im wesentlichen von der Frage bestimmt, ob ein Verfahren zur Sterilisierung im niedrigeren Temperaturberich verfügbar ist oder nicht.
 
 
 

3. Normung
 
 

Die normativen Vorgaben Starrer Endoskope sind in DIN 58 105 beschrieben. Anforderungen an die Sterilisationsresistenz in dieser Norm von 12/86 lauten:

"Die Püflinge sind .... einem Sterilisationsvorgang ... bei einer Temperatur von 134°C über 8 Minuten ausgesetzt. .... Im Anschluß ... wird visuell überprüft und kontrolliert, ob Korrosionserscheinungen sichtbar sind."
 
 

Diese Festlegung kann m.E. unkommentiert bleiben.
 
 

In der internationalen Normung gibt es eine Fundstelle, an der zur Haltbarkeit eines Produktes unter Sterilisationsbedingungen eine nach meiner Einschätzung befriedigende Aussage getroffen wird. In ISO 7785-1 ist für Dental Handpieces (High-speed air turbine handpieces) festgelegt, daß diese sterilisierbar sein sollten und auch so bezeichnet werden dürfen, wenn sie 250 Zyklen des vom Hersteller vorgegebenen Verfahrens überstehen, ohne die Mindestanforderungen der ISO 7785-1 zu unterschreiten. Diese Festlegung ist praxisgerecht.
 
 
 
 

4. Alterung des Beleuchtungssystems
 
 

Das Verhalten von Kaltlichtkabeln unter dem Einfluß der Sterilisation ist aus Laborversuchen bekannt.
 
 

Bei einem bekannten Versuch sind Kabel gleicher Produktion zu drei verschiedenen Losen zusammengefaßt worden und wiederholten Sterilisationszyklen im Dampf unterzogen worden. Die einzelnen Lose wurden unterschiedlich behandelt: Los 1 wurde an beiden Kabelenden zwischen den Sterilisationszyklen mit Alkohol gereinigt. Los 2 wurde lediglich auf der Lichtquellenseite gereinigt und Los 3 wurde ohne besondere Reinigungsmaßnahmen der Kabelenden sterilisiert.
 
 

Die Lose wurden mehrere hundert mal sterilisiert und periodisch die Transmission (übertragene Lichtleistung) der Kabel gemessen.
 
 


Bild 2: Transmission über Sterilisationszyklen (Dampf)





Das Los, bei dem Ein- und Auskoppelseite mit Aceton gereinigt wurden, zeigten nach ca. 500 Zyklen eine Transmissionsleistung von noch immer ca. 80% der Leistung des neuen Kabels (vgl. Bild 2). Die anderen beiden Lose zeigten bereits nach ca. 25 Zyklen einen Transmissionsabfall auf einen Wert zwischen 40 und 60% der ursprünglichen Leistung.
 
 

Ein wesentliches Nebenergebnis dieser Versuchsreihe war, daß alle so behandelten Lichtleitkabel an den Enden nachgeschliffen werden konnten, und anschließend wieder Transmissionsleistungen erreichten, die nahe den Ausgangswerten lagen.
 
 

Wie zu erwarten, wirkten die Reinigungsmaßnahmen deutlich lebensdauerverlängernd, worauf in den Aufbereitungsanweisungen der Hersteller auch hingewiesen wird.
 
 

Es lässt sich jedoch ebenso ablesen, daß mit zunehmender Anzahl durchgeführter Sterilisationen ein Nachlassen der Transmission einhergeht. Dieser ist bereits unter den Bedingungen des Laborversuchs (keine mechanischen Manipulationen, kein Einfluß aus den Einwirkungen der Desisinfektionsmittel, kein Handschweiß auf den Flächen, kein Einbrennen von Verunreinigungen durch die Wärmeentwicklung beim Betrieb²) signifikant.

²: Nach einer Faustformel gilt, daß jeder Lichtübergang (Lichtquelle-Kabel, Kabel-Endoskop) einen Verlust von ca. 20% der Lichtleistung verursacht. Diese Verluste werden in Wärme umgesetzt, wodurch vorliegende Verschmutzungen fester anhaften werden, als in dem skizzierten Laborversuch.
 
 

Zusätzlich kann aus diesen Ergebnissen geschlossen werden, daß durch die Sterilisationsmaßnahmen Ablagerungen auf den äußeren Oberflächen stattfinden.
 
 

Bei Starren Endoskopen sind diese Ergebnisse voll auf den Beleuchtungsteil übertragbar. Die distal verfügbare Lichtmenge nimmt mit zunehmender Anzahl Sterilisationsvorgänge ab. Der Sichtbereich wird geringer ausgeleuchtet, das Bild erscheint trübe.
 
 

Für die anderen äußeren optischen Komponenten liegt der Schluß nahe, daß auch hier Ablagerungen stattfinden.
 
 
 
 

5. Untersuchungen des optischen Systems
 
 

Seit kurzem sind Prüfvorrichtungen auf dem Markt, die es erlauben, das Optische System der Endoskope zu untersuchen.
 
 

Damit besteht neuerdings auch außerhalb der Herstellerorganisationen die Möglichkeit, Verunreinigungen nachzuweisen und zu dokumentieren. Als zusätzlicher Nutzeffekt lassen sich Linsenbrüche nachweisen bzw. ausschließen, was unmittelbare wirtschaftliche Vorteile im Reparaturfall bedeuten kann. In jedem Fall werden jedoch Kontrollmöglichkeiten der Reparaturdienstleister eröffnet.
 
 

Bei dem Verfahren mit dem Lupenrohr (vgl. Bild 3) wird eine zusätzliche Sammellinse vor das Endoskop gebracht, die in Verbindung mit der oder den objektivseitigen Linsen des Endoskops einen Brennpunkt im Inneren des Optischen Systems bildet. Durch Variation des Abstands zwischen Sammellinse zu Objektiv kann auf unterschiedliche Ebenen innerhalb des Optischen Systems fokussiert werden.
 
 

Untersucht man Optiken verschiedenen Alters, bzw. verfolgt man die Entwicklung einzelner Optiken über ihre Lebenszeit, stellt man eine stetige Zunahme an Partikeln im Inneren der Optik fest. Diese Partikel sind teils lose, teils an den Linsenoberflächen anhaftend (vgl. Bild 4).
 
 


Bild 3: Endoskop in Prüfvorrichtung Lupenrohr






Ein Modell zur Erklärung der Herkunft der Partikel geht von Abrieb aus. Durch die unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten von Glas und Metall (Linsen und Hüllrohr) kommt es zu Verschiebungen der Einzelteile zueinander. Die Stablinsen können bei diesen Bewegungen Material von der Innenseite des Hüllrohres abtragen.
 
 
 

Bild 4: Lose und feste Partikel im optischen
System
Weiterhin kann man mit dem Lupenrohr Veränderungen in den Kitten der Stablinsen nachweisen. Stablinsen bestehen in der Regel aus mehreren Linsen verschiedener Glassorten mit aufeinander abgestimmten Formen und Brechungseigenschaften. Diese Teile sind mit Kitten untereinander verbunden, die initial klar sind. Im Laufe der Betriebszeit verfärben sich die Kitte jedoch, was zu einer Farbverschiebung im sichtbaren Bild führt.

Verfärbungsprozesse gehen gewöhnlich vom Randbereich aus. 


 
 
 
 
 
 

Bild 5: Schlieren auf der Linsenoberfläche des optischen
Systems (Vermutlich Rückstände der Kitte).
Ein extremes (weil großflächiges) Beispiel für die negativen Auswirkungen verfärbter Kitte zeigt Bild 5. Diese Optik ist nach etwa 15 Anwendungen wegen einer partiellen Eintrübung bemängelt worden. Bild 5 zeigt deutlich, daß bei dieser Optik Verschmutzungen auf der Linsenoberfläche vorliegen, die als fertigungsbedingte Rückstände interpretiert werden. Die Verschmutzungen wurden zu Beginn der Lebenszeit dieser Optik nicht bemerkt. Im weiteren Verlauf wurden sie immer deutlicher, bis sie zur Aussonderung und Instandsetzung der Optik führten. Dies war bereits nach wenigen Anwendungen notwendig. 

Zur quantitativen Bestimmung des Eintrübungsgrades ist ein Gerät zur Messung des Transmissionsgrades verfügbar. Hierbei wird distal über einen Adapter Licht eingespeist und proximal die austretende Lichtmenge gemessen. Lichtverluste sind zunächst typspezifisch als Referenzwert zu bestimmen. Darauf aufbauend können zunehmende Verluste relativ genau gemessen werden.
 
 
 
 
 
 

6. Ergebnis
 
 

Es treten bei Starren Optiken auch bei sachgerechter Handhabung Veränderungen während der Betriebszeit auf, welche die optische Qualität nennenswert beeinträchtigen.
 
 

Die Transmissionsleistung der Lichtleiter nimmt mit zunehmender Anzahl Sterilisationszyklen ab, wobei dieser Prozeß durch regelmäßige Reinigungsmaßnahmen der Endflächen deutlich verlangsamt werden kann.
 
 

Beim Optischen System sind in erster Linie Eintrübungen der Linsen als Folge der Anlagerung von Partikeln als Alterungseinfluß zu erkennen. Zusätzlich sind teilweise Veränderungen der Kitte zu beobachten, die sich verfärben und ebenfalls zu Eintrübungen führen. Diese Einflüsse lassen sich visuell (Lupenrohr) bzw. meßtechnisch (Verfahren zur Transmissionsmessung) nachweisen.
 
 

Durch diese Alterungseinflüsse werden wesentliche Parameter der Bildqualität, insbesondere Transmission, Schärfe und Kontrast vermindert. Ehemals brillante Bilder werden milchig und trübe.
 
 

Es ist anzuraten, laufende Kontrollen zur Qualität der Endoskope durchzuführen und das Verhalten des eigenen Ausrüstung über die Betriebszeit zu beobachten.
 
 

Neulieferungen bzw. Endoskope nach Reparatur sollten kontrolliert und auf Qualitätsmängel untersucht werden. Die hierzu verfügbaren Werkzeuge wurden beschrieben.
 
 
 
 
 
 
 
 

Über den Verfasser:
 
 

Dipl. Ing. Claus Hilger

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